Freitag, 4. Februar 2011

Kreatives Schreiben Teil 1

In Deutsch haben wir das Thema Kreatives Schreiben angefangen. Dazu haben wir folgende Geschichte gelesen:

Callboy von Michael Benzing

Lothar betrat die kleine Vorstadt-Pizzeria. Er wusste, dass alle Blicke auf ihn gerichtet waren. Lothar war klein und schmächtig, gelegentliches Bodybuilding konnte auch keine Wunder wirken. Das, was dem Betrachter ins Auge sprang, war ein mächtiger Schnurrbart. Zusammen mit den Westernstiefeln, die zu allem Überfluss mit allerlei Aufsteckblech versehen waren – ähnlich den Heckspoilern einer untermotorisierten Autos –, drängte sich dem Durchschnitts-Pizzeria-Gast der Eindruck auf: Hier handelt es sich um einen gestiefelten Kater.
Mafioso im Einsatz, an das dachte Lothar ganz fest, als er aufreizend langsam durchs Lokal schritt. Ich bin der Boss, unter meiner Achsel drückt das Pistolenhalfter, der Lauf meiner großkalibrigen Pistole drückt mir auf die Rippen. Ich bin ich und alle Glotzer in dieser abgewrackten Kneipe können mich mal!
Ich suche mir jetzt einen gottverdammten Platz, ganz cool Baby, ganz cool, mit Aussicht auf den Parkplatz und die Ladys in der Ecke.
Lothar aß mechanisch seine Pasta und überlegte angestrengt, wie er die Aufmerksamkeit der beiden Frauen erwecken könnte. Wie es der Zufall so wollte, klingelte ein Handy – sein Handy. Eine der beiden Frauen drehte sich um, mit einem Gesichtsausdruck, der Überdruss signalisieren sollte. Lothar wusste, dass er gewonnen hatte, er fingerte das taschenrechnergroße Utensil aus der Jackeninnentasche, klappte es auseinander und ignorierte die beiden Frauen für einen Moment.
”Kretze”, Lothar meldete sich leicht gereizt.
Es meldete sich seine Mutter, bei der er trotz seiner 35 Jahre noch immer wohnte. “Bist du schon wieder in dieser Spelunke?” Lothar antwortete beflissen: “Tja, gnädige Frau, immer im Dienst, immer auf Achse.”
”Red keinen Quatsch, ich hab Königsberger Klopse.”
Lothar sprang dynamisch vom Esstisch auf und stolzierte in Richtung Theke.
”Diese Kollektion ist ein echter Klops”, sagte er flapsig-neureich, “die muss ich haben.”
”Komm sofort rüber, sonst verkochen die mir noch.”
Lothar triumphierte, nur er wusste, welches Theater hier gespielt wurde, die Kulisse und der Dialog waren perfekt.
”Oh ja, gut Ding will Weile haben, aber der Erfolg wird uns Recht geben.”
Beim letzten Teil des Satzes saß Lothar rittlings auf dem Barhocker, seine Stimme konnte bis in den letzten Winkel des Lokals gehört werden.

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